Wirtschaftlich stark trotz Pflegenotstand: Steuerliche Handlungsspielräume für Pflegeeinrichtungen
Sie arbeiten in der Pflegebranche oder sind Inhaber einer Pflegeeinrichtung? Dann betrifft Sie die aktuelle Pflegesituation nicht nur menschlich, sondern auch steuerlich. In der aktuellen DBfK-Jahresumfrage 2025 "Pflege, wie geht es dir?" zeichnet sich ein klares Bild der Pflegelandschaft in Deutschland ab: Der Pflegesektor steht unter enormem Druck. Als Steuerexperten für Heilberufe sehen wir es als unsere Aufgabe, Pflegeeinrichtungen und deren Mitarbeitende durch optimale steuerliche Gestaltung zu unterstützen. Denn gerade in herausfordernden Zeiten können kluge steuerliche Strategien einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität und Attraktivität von Pflegeeinrichtungen leisten.
Die Umfrageergebnisse des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe sprechen eine deutliche Sprache:
- 70% der Befragten wünschen sich mehr Befugnisse
- 77% möchten mehr Verantwortung übernehmen
- 77% der international ausgebildeten Pflegefachpersonen berichten, in Deutschland weniger ausüben zu dürfen als im Herkunftsland
Diese Zahlen verdeutlichen: Das Potenzial professioneller Pflege wird in Deutschland nicht ausgeschöpft. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels müssen Kompetenzen anerkannt, Verantwortung übertragen und echte Perspektiven geschaffen werden. Steuerliche Anreize können hier als wichtiger Hebel dienen, um Pflegeeinrichtungen zu stärken und Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.
6 steuerliche Hebel, mit denen Sie Ihre Pflegeeinrichtung zukunftsfest machen
1. Steuervorteile bei Weiterbildung und Kompetenzausbau nutzen
Die Umfrage zeigt deutlich: Pflegefachkräfte wollen mehr Verantwortung übernehmen und ihre Kompetenzen erweitern. In einer Zeit, in der die Anforderungen an Pflegefachkräfte stetig steigen und neue Behandlungsmethoden entwickelt werden, ist kontinuierliche Weiterbildung unerlässlich. Der Gesetzgeber unterstützt dies durch umfangreiche steuerliche Anreize, die sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern zugutekommen.
Unsere Steuertipps:
- Fortbildungskosten sind vollständig absetzbar (§4 Einkommenssteuergesetz): Kursgebühren, Fachliteratur, Arbeitsmittel und digitale Lernplattformen können zu 100% als Betriebsausgaben geltend gemacht werden.
- Reisekosten präzise abrechnen: Fahrtkosten mit dem eigenen PKW können mit 0,30 € pro Kilometer als Werbungskosten abgesetzt werden. Bei öffentlichen Verkehrsmitteln sind die tatsächlichen Kosten absetzbar.
- Verpflegungsmehraufwand: Bei mehrtägigen Fortbildungen können Sie für 2025 folgende Pauschalen ansetzen: 28 € für jeden vollen Abwesenheitstag, 14 € für An- und Abreisetag.
- Übernachtungskosten: Entweder die tatsächlichen Kosten oder die Pauschale von 20 € pro Nacht (ohne Frühstück) absetzen.
Praxis-Beispiel: Steuerfreie Reisekosten bei Fachkonferenz
Eine Pflegedienstleiterin aus München besucht eine 3-tägige Fachkonferenz in Hamburg. Sie reist am Vortag an und am letzten Tag zurück.
Alle genannten Kosten kann der Arbeitgeber steuerfrei erstatten.
2. Steuerliche Anreize für die Integration internationaler Fachkräfte
Die DBfK-Umfrage zeigt, dass 77% der international ausgebildeten Pflegefachpersonen in Deutschland weniger Kompetenzen ausüben dürfen als in ihren Herkunftsländern. Angesichts des akuten Fachkräftemangels in der Pflege – aktuell fehlen bundesweit über 115.000 Pflegefachkräfte (Quelle: Ärzteblatt) – ist die Integration internationaler Fachkräfte ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der Personalkrise. Das deutsche Steuerrecht bietet hier verschiedene Möglichkeiten, die finanziellen Hürden bei der Rekrutierung und Integration zu senken.
Unsere Steuertipps:
- Rekrutierungskosten: Ausgaben für Personalvermittler (oft 15-25% des Jahresgehalts) sind vollständig absetzbar.
- Sprachkurse: Kosten für berufsbezogene Deutschkurse können als Betriebsausgaben geltend gemacht werden.
- Anerkennungsverfahren: Die Kosten für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse (durchschnittlich 100-600 €) können als Werbungskosten für den Mitarbeiter oder als Betriebsausgabe für Sie als Arbeitgeber geltend gemacht werden.
- Einarbeitungszuschüsse: Prüfen Sie die Förderprogramme der Bundesagentur für Arbeit, die bis zu 50% des Gehalts für 6-12 Monate bezuschussen kann.
3. Investitionsabzugsbetrag (IAB) für Praxismodernisierung optimal nutzen
Moderne Ausstattung und effiziente Arbeitsabläufe sind entscheidend, um die Arbeitsbelastung in Pflegeeinrichtungen zu reduzieren und die Versorgungsqualität zu verbessern. Die DBfK-Umfrage zeigt, dass viele Pflegefachkräfte unter veralteter Infrastruktur und ineffizienten Prozessen leiden. Der Investitionsabzugsbetrag (IAB) ist ein wirksames steuerliches Instrument, um notwendige Modernisierungen finanziell abzufedern und gleichzeitig die Steuerlast durch Zins- und Liquiditätsvorteile zu optimieren.
Unsere Steuertipps:
- Höhe des IAB: Sie können bis zu 50% der voraussichtlichen Anschaffungskosten (maximal 200.000 € pro Jahr) steuermindernd geltend machen.
- Zeitliche Flexibilität: Die Investition muss innerhalb der nächsten drei Wirtschaftsjahre erfolgen.
- Kombination mit Sonderabschreibung: Nach Anschaffung können Sie zusätzlich eine Sonderabschreibung von 20% in Anspruch nehmen.
- Gewinngrenze beachten: Der IAB ist nur anwendbar, wenn Ihr Gewinn die Grenze von 200.000 € nicht überschreitet.
Betriebe oder Praxen in der Aufbauphase, die mit steigenden Gewinnen rechnen, sollten bei Steuervorteilen wie dem IAB (Investitionsabzugsbetrag) genau hinschauen. Jede Situation ist anders und braucht eine individuelle Betrachtung.
Das Problem: Nutzen Sie den IAB jetzt, sparen Sie Steuern zu Ihrem aktuellen, möglicherweise niedrigeren Steuersatz. Wenn Ihre Gewinne in den kommenden Jahren steigen, hätten Sie den IAB vielleicht besser später genutzt - dann wäre die Steuerersparnis größer gewesen.
Deshalb unser Rat: Lassen Sie vor der Entscheidung eine Berechnung machen, die Ihre persönliche Situation berücksichtigt. Manchmal ist es besser, auf sofortige Steuervorteile zu verzichten oder sie auf später zu verschieben, um langfristig weniger Steuern zu zahlen. Wir unterstützen Sie hierbei gerne.
4. Digitalisierung steuerlich fördern lassen
Die Digitalisierung bietet enormes Potenzial, um Pflegefachkräfte von administrativen Aufgaben zu entlasten und mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung zu schaffen. Laut der DBfK-Umfrage verbringen Pflegefachkräfte bis zu 30% ihrer Arbeitszeit mit Dokumentation und Verwaltungsaufgaben. Der Gesetzgeber hat die Bedeutung der Digitalisierung im Gesundheitswesen erkannt und bietet attraktive steuerliche Anreize, um den digitalen Wandel zu beschleunigen.
Unsere Steuertipps:
- Sofortabschreibung digitaler Wirtschaftsgüter: Hardware und Software können seit 2021 im Jahr der Anschaffung vollständig abgeschrieben werden, unabhängig von der Nutzungsdauer.
- Digitalisierungsprämie Plus: In Baden-Württemberg können Sie bis zu 3.000 € Zuschuss für Digitalisierungsprojekte erhalten (ähnliche Programme gibt es in anderen Bundesländern).
- KfW-Förderung: Das Programm "ERP-Digitalisierungs- und Innovationskredit" bietet zinsgünstige Darlehen bis zu 25 Millionen € für Digitalisierungs- und Innovationsvorhaben ab einem Kreditmindestbetrag von 25.000€
- Telematikinfrastruktur-Pauschale: Für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur erhalten Heilberufler eine monatliche TI-Pauschale (diese wird aber quartalsweise ausgezahlt). Die monatliche Pauschale besteht aus einer Grundpauschale (200,22 €) sowie – im Bedarfsfall – aus zwei Zuschlagspauschalen (je 7,48 €).
5. Steueroptimierte Mitarbeiterbindung
Die DBfK-Umfrage zeigt deutlich: Die Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen dringend verbessert werden, um Fachkräfte zu halten. Über 45% der Befragten gaben an, dass sie ihren Beruf aufgrund der Belastung nicht bis zum Rentenalter ausüben können. Neben einer angemessenen Grundvergütung können steuer- und sozialversicherungsoptimierte Gehaltsextras die Attraktivität als Arbeitgeber erheblich steigern und gleichzeitig die Nettobezüge der Mitarbeitenden erhöhen.
Unsere Steuertipps:
Erholungsbeihilfen: Steuer- und sozialversicherungsfrei mit 25% pauschaler Lohnsteuer bis zu 156 € für Arbeitnehmer, 104 € für Ehegatten und 52 € pro Kind jährlich.
Gesundheitsförderung: Steuerfreie Zuschüsse bis zu 600 € pro Mitarbeiter jährlich für zertifizierte Maßnahmen nach § 20 SGB V.
Sachbezüge: Seit 2022 monatlich bis zu 50 € steuerfrei (z.B. als Tankgutschein oder Einkaufsgutschein).
Jobtickets: Komplett steuer- und sozialversicherungsfrei, werden aber auf die Entfernungspauschale angerechnet.
Fahrrad-Leasing: Bei Gehaltsumwandlung nur 0,25% des Listenpreises als geldwerter Vorteil zu versteuern. Der Listenpreis wird dabei auf volle 100 € abgerundet.
Beispielrechnung:
6. Optimierung der Praxisorganisation und Steuervorteile
Flexible Arbeitsmodelle und eine effiziente Praxisorganisation sind laut DBfK-Umfrage zentrale Faktoren für die Zufriedenheit von Pflegefachkräften. Über 65% der Befragten wünschen sich flexiblere Arbeitszeitmodelle und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das Steuerrecht bietet hier verschiedene Möglichkeiten, um sowohl die betriebliche Organisation zu optimieren als auch steuerliche Vorteile zu nutzen.
Unsere Steuertipps:
- Arbeitszimmer: Bei Nutzung als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit können alle Kosten unbegrenzt abgesetzt werden, andernfalls pauschal 1.260 € jährlich.
- Häusliche Behandlungsräume: Anders als beim Arbeitszimmer sind hier alle Kosten vollständig absetzbar, wenn eine klare räumliche Trennung vom Privatbereich besteht.
- Fahrtkosten: Bei wechselnden Einsatzorten (z.B. Hausbesuche) können 0,30 € pro Kilometer als Betriebsausgabe geltend gemacht werden.
- Dienstwagen: Bei elektrischen und Hybrid Fahrzeugen mit einem Bruttolistenpreis bis 70.000 € beträgt der geldwerte Vorteil nur 0,25% statt 1% des Listenpreises monatlich.
Fazit: Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten proaktiv nutzen
Die aktuellen Herausforderungen im Pflegesektor, die die DBfK-Umfrage aufzeigt, erfordern ein Umdenken auf allen Ebenen. Steuerliche Optimierung allein kann die strukturellen Probleme im Pflegesektor nicht lösen, aber sie kann einen wichtigen Beitrag leisten, um die wirtschaftliche Situation von Pflegeeinrichtungen zu verbessern und attraktivere Arbeitsbedingungen für Pflegefachkräfte zu schaffen.
Die vorgestellten steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten bieten konkrete Ansatzpunkte, um finanzielle Ressourcen freizusetzen und gezielt in die Qualität der Pflege, die Arbeitsbedingungen und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu investieren. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels und zur Sicherung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung.
Wichtig: Die steuerliche Gestaltung sollte immer individuell auf Ihre spezifische Situation abgestimmt sein. Beachten Sie, dass Freibeträge und Pauschalen sich jährlich ändern können und einige Vergünstigungen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind.
Als spezialisierte Steuerkanzlei für Heilberufe unterstützen wir Sie dabei, diese Potenziale zu erkennen und optimal zu nutzen. Wir verstehen die besonderen Herausforderungen des Pflegesektors und entwickeln maßgeschneiderte steuerliche Strategien, die sowohl Ihre wirtschaftlichen Interessen als auch das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen.
Vereinbaren Sie jetzt ein unverbindliches Beratungsgespräch: steuerkanzlei@terworth.de
Mehr zu unseren Leistungen für Pflegedienste finden Sie hier: https://www.steuerberater-heilberuf.de/pflegedienst.html
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